Erstaunlich ist, dass wir diese Zusammenhänge durchaus erfassen, sie aber in unserem Tun weitgehend ignorieren. Durch unser Verhalten verschulden wir uns nicht nur finanziell, sondern vor allem an der Natur und an unserem Umfeld in unverantwortlicher Weise. Rechnen wir diese wachstumsbedingten Lasten und Verluste einschließlich sachgerechter Rückstellungen für künftig notwendige Ausgleichsmaßnahmen mit dem Nutzen auf, den wir aus dem noch erzielbaren Wachstum ziehen, sieht die Gewinn- und Verlustrechnung erschreckend aus. Wachstum als Selbstzweck rechnet sich offensichtlich nicht. Außerdem ist das Wachstum selbst endlich und nur noch sehr begrenzt fortsetzbar, aber die Spuren, die das Wachstum bis dahin hinterlassen hat, bleiben.
Selbstverständlich wird eine noch bis voraussichtlich 2050 wachsende und wohlstandsorientierte Weltbevölkerung mehr Güter nachfragen, als dies heute der Fall ist. Diese verstärkte Nachfrage wird sich zwar nicht in den frühindustrialisierten Ländern zeigen, umso deutlicher aber in den Schwellenländern. Allerdings wird diese Nachfrage aufgrund der begrenzenden Faktoren in der bisherigen Form schlicht nicht mehr in vernünftiger Weise und zu bezahlbaren Preisen zu decken sein.
Mit dem nicht nur wirtschaftlichen, sondern faktischen Versiegen „bewährter“ Energie- und Rohstoffquellen und mit zunehmender Belastung der Atmosphäre mit CO2 durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen aus fossilen Brennstoffen und mit zunehmendem Erfolgsdruck, der auf den Menschen lastet, wird ein Umdenken unausweichlich. Kehren wir in uns, erkennen wir rasch, dass wir quantitatives Wirtschaftswachstum faktisch über alle anderen Werte stellen: über die Zufriedenheit, über die Gesundheit, über die Stabilität der Natur und über die Freiheit.
Offenbar fehlt es an Imagination für Alternativen. Die Mehrheit der Wirtschaftsführer und Politiker halten – oft trotz besserer Einsicht – am Wachstumskurs fest. Sich auf ein radikal verändertes Geschäftsmodell bzw. Gesellschaftsmodell einzulassen und es öffentlich zu vertreten, birgt für die Verantwortungsträger hohe unmittelbare und persönliche Risiken, die die wesentlich höheren Risiken, die mit der Vermeidung einer Richtungsänderung verbunden sind, verdrängen – ohne sie zu beseitigen.
Hier finden Sie kritische Fragen, mit denen Sie in Ihrer Organisation Denkanstöße anregen können.
- Wie hoch sind die wirklichen Kosten wachstumsbedingter Belastung der Natur?
- Wie hoch sind die Kosten für überlastete oder sogar ausgebrannte Mitarbeiter?
- Wie hoch sind die Kosten für Wiederherstellungs- und Kompensationsmaßnahmen?
- Wie wirken sich die Lateralschäden auf Ihr Image als Arbeitgeber und als Anbieter im Markt aus?
- Wie sähe Ihre Gewinn- und Verlustrechnung unter Berücksichtigung sachgerechter Rückstellungen für Schäden wegen nicht-nachhaltigen Handelns aus?
- Wie lässt sich eine nachhaltige Arbeitsweise kapitalisieren?
- Wie können Sie das Bewusstsein Ihrer Führungskräfte und Kollegen für einen verantwortungsvollen und sinnvollen Umgang mit einer begrenzten Natur schärfen?
- Welche Argumente sprechen im konkreten Kontext Ihres Unternehmens für eine Veränderung (Change-Prozess)?