Großbritannien hat als Seefahrerland mit umfassender Kolonialgeschichte eine sehr große ethnische und kulturelle Vielfalt. Deshalb ist es besonders schwierig, die britische Kultur zu beschreiben. Dennoch, oder gerade deshalb, gibt es einige Besonderheiten der englischen Kultur, die für den geschäftlichen Umgang mit Briten von Bedeutung sind.
Viele Briten lieben die persönliche Freiheit, sind, anders als die meisten Deutschen, eher Individualisten und drücken dies gern durch eine gewisse Exzentrik aus. Trotz aller Individualität und Verschiedenheit haben Briten gelernt, ihre Freiheit durch das Zusammenleben zu ermöglichen und zu sichern. Wohl deshalb gehen Briten tolerant und rücksichtsvoll mit anderen Menschen um und lieben es, in Teams zusammenzuarbeiten und sind dabei auch sehr erfolgreich.
In Großbritannien gehört es (immer noch) zum guten Ton, darauf zu warten, dass man von Dritten vorgestellt wird und sich nicht etwa selbst vorstellt. Briten reden sich heute oft vom Kennenlernen an mit dem Vornamen an. Wenn sich Ihnen ein Brite mit seinem Vornamen vorstellt und Sie sich dann mit Vor- und Nachnamen vorstellen, wirkt das auf den Briten distanziert. Auch Titel werden nicht genannt. Das Händeschütteln beschränkt sich auf das Kennenlernen. Bei späteren Treffen schüttelt man sich nicht mehr die Hände. Das würde als ein Zeichen dafür gewertet, dass man sich an das erste Kennenlernen gar nicht mehr erinnert. Gespräche werden immer mit ausgiebigem „Smalltalk“ eingeleitet Smalltalk ist in Großbritannien sehr wichtig. Dabei müssen Sie sich auf dem schmalen Grat bewegen, persönlich zu sein, ohne privat zu werden. Politik und Religion sind ungeeignet für den Smalltalk, weil es bei diesen Themen zu viele Meinungen gibt. Gespräche über die Gesundheit oder über die Familie sind vielen Briten zu intim. Briten neigen zu Understatement und subtilem und „leisem“ Humor, der von Deutschen nicht immer einfach nachzuvollziehen ist.
Anders als in Frankreich wird Geschäftliches in Großbritannien gern beim Essen oder bei Freizeitaktivitäten besprochen. Treffen beim Golf, beim Cricket, beim Rugby sind dafür genauso gut geeignet wie Theater- und Opernbesuche.
Die geschäftliche Kleiderordnung ist in Großbritannien formaler als in Deutschland. Legere Kleidung ist in etablierten Geschäften eher unüblich.
Das Aufbauen persönlicher Beziehungen ist in Großbritannien wichtiger als in Deutschland, wo die Fachkompetenz und technische Expertise zum Aufbauen von Vertrauen eingesetzt werden. Briten signalisieren durch ihre Mitgliedschaft in Clubs und Vereinen ihr Interesse am Aufbau von Beziehungen.
Der Umgang miteinander ist in Großbritannien lockerer als in Deutschland, aber nicht weniger professionell. Auch mit Firmenchefs kommt man in Großbritannien unkomplizierter ins Gespräch. Der Umgang miteinander ist in Großbritannien weniger distanziert und weniger bürokratisch als in Deutschland. Aber unterschätzen Sie nicht das ausgeprägte Hierarchiedenken in der britischen Gesellschaft und in der britischen Wirtschaft.
Briten sind sehr höflich. Sie kommunizieren indirekter, respektvoller und diplomatischer als Deutsche. Nie würden Briten eine Idee eines Gesprächspartners oder eines Mitarbeiters offen ablehnen. Eher ist wahrscheinlich, dass sie dann folgendermaßen antworten würden: „Your idea could maybe be interesting.“
Beispiel: Wenn ein britischer Vorgesetzter zu Ihnen sagt: „I like your straight forward thinking.“, ist das eher als versteckte Kritik statt als Anerkennung zu verstehen.
Mit Formulierungen wie „I might be wrong, but ?“ oder „I am not sure, but ?“ leiten Briten Kritik ein.
Auch die Gesprächsdauer über ein Thema ist kein Indikator für wirkliches Interesse eines Briten. Briten betreiben gern gepflegte Konversation, unabhängig davon, ob sich daraus etwas Konkretes ergeben kann.
Briten kommunizieren im Geschäftsleben intensiv per Telefon, weniger gern per Email. Inhalte von Telefonaten schriftlich zu bestätigen, wirkt auf Briten eher wie ein Vertrauensentzug. In Telefonaten lassen sich Briten aussprechen und fallen sich nicht ins Wort. Zusammenhängende Redezeiten von Gesprächsteilnehmern sind deutlich länger als in Deutschland; erst, wenn der Redner beendet hat, geht der Gesprächspartner ungestört auf alle Punkte ein.
Briten zeigen weniger Emotionen als Deutsche. Auch ihre Mimik und ihre Gestik sind sparsamer („stiff lip“) als die deutsche. Das heißt aber nicht, dass Briten weniger emotional berührt sind als Deutsche; sie bewahren lediglich Haltung.
Briten sind auch mit 15 Minuten Verspätung noch pünktlich. Das gehört eher zum guten Ton, 15 Minuten später zu erscheinen. Als Deutscher sollten Sie trotzdem zur vereinbarten Uhrzeit bei Ihrem Meeting eintreffen. Briten erwarten das von Deutschen, die für Pünktlichkeit stehen. Briten werden sich bemühen, auch rechtzeitig einzutreffen.
In Großbritannien haben sehr viele Menschen mindestens einen Bachelor-Abschluss. Wegen dieser fast inflationären Entwicklung von Abschlüssen zählt die Uni, an der man den Abschluss erzielt hat. Aber auch ohne Ausbildung hat man in England Chancen auf eine gute berufliche Karriere. Mitarbeiter werden in Großbritannien früher in Verantwortung genommen als in Deutschland. Jeder erhält die Chance, sich zu beweisen ? mit oder ohne formalen Abschluss. Die Erfahrung, das Potential, der Einsatz und die Leistung werden honoriert. Auch ein Quereinstieg ist eher möglich als in Deutschland.
Pubs gehören zu den zentralen Punkten, an denen Beziehungen mit Briten entstehen und Vertrauen aufgebaut werden kann.
Großbritannien ist ein dienstleistungsorientiertes Land. Es gibt nur (noch) relativ wenige Industrieunternehmen. Fast alle britischen Unternehmen sind klein oder mittelgroß. Die natürliche Einbindung von Freiberuflern ist in britischen Unternehmen eher die Regel als eine Ausnahme. Die Arbeit ist also anders organisiert als in Deutschland.