Lateinamerika ist eine sehr große Region, die man kaum pauschal beschreiben kann. Unterschieden werden kann zwischen karibischen Ländern und Ländern wie Argentinien und Chile, die teilweise auch von Deutschen geprägt wurden und der europäischen Mentalität näherstehen. Unterschieden werden muss auch zwischen dem Leben in den Metropolen und dem ländlichen Leben.
In Lateinamerika haben sich verschiedene Kulturen in unterschiedlicher Ausprägung vermischt. Nachdem Portugiesen und Spanier Brasilien erobert und die Conquistadores massenhaft Frauen der Ureinwohner (Indigenas) vergewaltigt hatten, vermischten sich die ethnischen Gruppen zu Mestizos. Abkömmlinge afrikanischer Sklaven mischten sich mit Weißen zu Mulatos. Außerdem kam es zu weiteren Mischungen mit den Indigenas, den Mestizos und den Mulatos. Mit dieser Vermischung von ethnischen Gruppen kam es in Brasilien auch zu Vermischung von Mentalitäten und Kulturen.
In Brasilien werden soziale Unterschiede gemacht. Die Weißen, die die entwickelte Kultur der Indigenas und Aztecas zerstört hatten, erfahren bis heute die höchste soziale Anerkennung, gefolgt von den Mulatos. Dann folgen die Mestizos, und am unteren Ende stehen die Indigenas. Die lateinamerikanischen Staaten haben auch nach der Befreiung von der spanischen Kolonialherrschaft nie wirklich einen demokratischen Unterbau entwickelt. In den Diktaturen und autoritären Regimen wurde freies, kritisches Denken nie gefördert. Regierungen wurden oft mithilfe des Militärs an die Macht geputscht, waren aber nicht in der Lage, die sozialen Probleme zu lösen. In der Folge sind weder Bildungs- noch Gesundheits- noch Rechtssysteme in dem Maße entwickelt wie in Mitteleuropa.
Das Kapital ist in Lateinamerika sehr ungleich verteilt. Sehr wenige Menschen sind als Großgrundbesitzer, Großhändler, Industrielle oder hohe Beamte äußerst wohlhabend. Die meisten Menschen sind aber extrem arm und arbeiten in der Landwirtschaft oder betreiben Kleinstgewerbe. Die Mittelschicht dazwischen ist dünn.
Die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung haben in diesen Ländern die Mentalität des lateinamerikanischen Surrealismus hervorgebracht. Wunschträume werden mit der Realität verwechselt, Illusionen mit Lösungen, Anarchie mit Freiheit. Dieser Widerspruch zwischen der guten Welt, die sie sich vorstellen, und der unvollkommenen Welt, in der sie leben, drückt sich auch in der Kommunikation aus. Es werden viele ausschmückende Worte verwendet, aber es folgen wenig Taten. Worte werden Taten gleichgesetzt. Selbstdisziplin ist nicht mehr vorhanden. Die Menschen neigen dazu, das Leben unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu genießen, und zwar mit möglichst wenig Anstrengung, weil sie über Generationen gelernt haben, dass Anstrengung sie nicht weiterführt. Zielstrebigkeit, Systematik, Organisationstalent, Willensstärke und Fleiß und Ausdauer sind folglich wenig ausgeprägte Eigenschaften.
Auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Gemeinsinn sind bei Lateinamerikanern nicht entwickelt, weil sie sich um ihre eigene Existenz kümmern müssen und die Erfahrung gemacht haben, dass sie in der Gesellschaft sowieso nichts ausrichten können. Für Fehlentwicklungen machen durchschnittliche Lateinamerikaner andere verantwortlich. So erklären sich u. a. die Umweltsünden im Amazonasgebiet. Innerhalb des Unmöglichen rechnen Lateinamerikaner immer noch mit dem Möglichen. Dieser Optimismus in der Verzweiflung wird mit „jeito“ bezeichnet. Auch wenn etwas mal nicht funktioniert, bringt das Lateinamerikaner nicht aus der Fassung: „Tranquilo“, „No se preocupe“ und „Relájese“ sind übliche Reaktionen („Bleiben Sie ruhig.“ „Regen Sie sich nicht auf.“ „Das wird schon.“). Das Wort „unmöglich“ wird in Lateinamerika kaum verwendet.
So erklärt sich auch, dass viele Lateinamerikaner weniger Output bringen und weniger an ihrer Karriere arbeiten als Mitteleuropäer. Latinos arbeiten genau so viel, dass sie ihr Leben finanzieren können. Ihre Zeit verbringen Latinos am liebsten mit ihrer Familie und im engen Freundeskreis. Sie nehmen sich sehr viel Zeit für Menschen, sind äußerst zuvorkommend, anteilnehmend und haben im persönlichen Umfeld ein ausgeprägtes Rechtsgefühl und setzen ihre Rechtsauffassung auch durch. Termine spielen bei Latinos eine untergeordnete Rolle.
Sie zeigen überschwängliche Freundlichkeit und erweisen und erwarten viel Respekt. Das bringen sie laufend mit vielen Sätzen zum Ausdruck. Sie sind leidenschaftliche Menschen, die viele Emotionen zeigen. Lateinamerikaner kommunizieren mit viel Mimik und Gestik. Persönliche Beziehungen und gegenseitige Sympathie sind ihnen für Geschäftsabschlüsse wichtiger als fachliche Kompetenz. Frauen und ältere Menschen werden in Lateinamerika zuvorkommender behandelt als in Mitteleuropa. Wenn Sie das abwehren, verletzen Sie den Stolz der Lateinamerikaner. Erwarten Sie von Lateinamerikanern aber nicht unbedingt Pünktlichkeit, insbesondere Mexikaner werden diese Erwartung voraussichtlich nicht einlösen. Das liegt auch daran, dass in Lateinamerika kaum etwas planbar ist. So lässt man die Dinge einfach laufen („linealidad“) und macht aus jeder Situation, aus jedem Moment das Bestmögliche. Von deutschen Geschäftspartnern wird aber Pünktlichkeit erwartet, denn Deutsche werden für ihre Tugenden geschätzt. Die Geschäftskleidung ist in lateinamerikanischen Unternehmen formaler und konservativer als in mitteleuropäischen.
Autoritäten werden in lateinamerikanischen Ländern respektiert. Unternehmen in lateinamerikanischen Ländern sind streng hierarchisch organisiert und werden klassisch nach dem Anweisungsprinzip geführt. Das ist nötig, um überhaupt Output zu erhalten. Sprechen Sie Geschäftspartner mit ihren akademischen Titeln an, bis sie ihnen signalisieren, dass sie das nicht erwarten.
In Meetings erwarten lateinamerikanische Geschäftspartner die Präsenz eines hochrangigen Vertreters Ihres Unternehmens.